Okay, hier folgt der zweite (und letzte) Teil meine Liste mit den besten Comics die ich 2015 gelesen habe. Im einzelnen sind dies, in alphabetischer Reihenfolge:
High Crimes von Christopher Sebela und Ibrahim Moustafa
The Incal von Alejandro Jodorowsky und Moebius
John Constantine – Hellblazer von Jamie Delano und Garth Ennis (u.a.)
Locke & Key von Joe Hill und Gabriel Rodriguez
Sam and Twitch von Brian Michael Bendis, Todd McFarlane, Angel Medina und Alex Maleev
Strange Attractors von Charles Soule und Gregg Scott
Whiteout von Greg Rucka und Steve Lieber
Und los gehts:
High Crimes
Autor: Christopher Sabela
Grafik: Ibrahim Moustafa
Original veröffentlicht als Webcomic 2013-14 bei Monkeybrain Comics, Buchausgabe bei Dark Horse
223 Seiten
(Eine deutsche Ausgabe liegt meines Wissens bisher nicht vor)
Genre: Bergsteigerdrama & Agenten Thriller
High Crimes ist ein unglaublich spannender und dicht erzählter graphischer Thriller. Er verbindet die dramatischen Elemente einer Mount Everest Expedition mit einer harten Agentengeschichte.
Jenseits von 8000 Meter Höhe – also in der sogenannten Todeszone – entdecken zwei Bergsteiger die Leiche eines seit zwanzig Jahren verschollenen CIA Agenten. Dass sie dort eine Leiche finden, ist übrigens kein Zufall. Schätzungen zufolge liegen entlang der beiden Hauptrouten – von der Kälte konserviert – etwa 120 Leichen oder mehr auf dem höchsten Berg der Welt. Außerdem betreiben die beiden Bergsteiger, Suzan („Zan“) Jensen und Phil Haskel, ein skuriles Geschäft. Sie identifizieren mittels Fingerabdruck oder DNA die herumliegenden Toten und organisieren die Bergung und den Rücktransport für die Angehörigen. Gegen Bezahlung, versteht sich.
Dumm nur, wenn sich heraustellt, daß einer der Toten ein ex-CIA Typ war, und daß er für den US Geheimdienst außerordentlich belastende Aufzeichnungen und Dokumente auf Mikrofilm bei sich hatte. Sehr spontan entscheidet sich ein ranghoher CIA Agent (der Wind vom Fund dieser ihn persönlich belastenden Dokumente bekommt) dafür, ein Spezialeinsatzkommando, bestehend aus Agenten / Killern mit Bergerfahrung in den Himmalaya zu senden, um die Leiche sowie alles belastende Material sicher zu stellen bzw- zu vernichten. Einschließlich aller Mitwisser. Der Showdown auf dem Weg zum Gipfel (in dessen Nähe die Leiche liegt) ist somit vorprogrammiert.
Zan Jensen, die Protagonistin der Geschichte, ist übrigens eine außerordentlich interessante Person. Ihre Geschichte erfährt der Leser durch Flashbacks: Eine frühere Snowboard Olympiasiegerin für die USA, die des Dopings überführt wurde und in öffentliche Ungnade fiel. Als passionierte Bergsteigerin sucht sie mit neuer – gefälschter – Identität in den Bergen des Himmalayas (und insbesondere durch die Besteigung des Everest) die Verarbeitung ihrer Vergangenheit und den Neuanfang.
Ich bin ein Freund von Bergsteigergeschichten und von Agentenstories. Klar, daß mich dieser Comic von Anfang an interessierte. Er funtioniert ganz wunderbar auf allen Ebenen. Als extrem spannender Thriller. Und als exzellent (bis in die geographischen, technischen und medizinischen Details der Mount Everest Besteigungen) rescherchierte alpinistische Geschichte. Mit glaubwürdig geschilderten Haupt- und Nebencharakteren. Und auch die Graphik überzeugt: Ibrahim Moustafas Zeichnungen erinnern ein wenig an den Schweizer Cosey (d.i. Bernard Cosandey) und seine in den 1980ern erschienene Himmalaya – Serie ‚Jonathan‘.
Ein toller „High – Altitude“ Thriller.
The Incal
Autor: Alejandro Jodorowsky
Zeichnungen: Moebius
Farben: Yves Chaland, Isabelle Beaumeney-Joannet & Zoran Janjetov
Original in sechs Büchern auf französisch zwischen 1981 und 1988 von Les Humanoides Associes veröffentlicht
312 Seiten
(Die deutsche Ausgabe erschien im Splitter-Verlag)
Genre: Science Fiction
Gut, der Incal war nicht wirklich eine Neuentdeckung für mich. Ich hatte zwei oder drei Teile in den 1980ern auf deutsch gelesen. Zu jener Zeit war ich ein ein ausgesprochener Fan (und bin es auch heute noch) des französichen Zeichners Jean Gireaud (alias Moebius, 1938 – 2012).
Letztes Jahr bekam ich jedoch die gebundene US Ausgabe der Serie und habe den Incal gewissermaßen wiederentdeckt. Das ist so in etwa wie wenn man einen Hollywood Klassiker aus den 1940ern (sagen wir „Citizen Kane“) mal wieder sieht.
Es fängt an als vergleichsweise einfache SF Geschichte über so einen Typen namens John Difool, Privatdetektiv der Klasse ‚R‘, der auf der Suicide Alley einer dystopischen Megacity (in weiter Zukunft) von einigen aufgebrachten Gestalten über die Brüstung eienr Staße in Richtung des in der Tiefe liegenden Säuresees geschleudert wird. Natürlich wird er gerettet und die Geschichte entwickelt sich sehr schnell zu einer graphisch wie erzählerisch wahnwitzigen Reise in den Mikrokosmos ebenso wie in fernste Galaxien. Im Zentrum steht der Incal; das ist so ein pyramidenförmiges intelligentes kleines Ding mit unglaublichen energetischen und spirituellen (jedenfalls stark übersinnlichen) Kräften.
Der chilenische Autor und Filmemacher Alejandro Jodorowsky ist einer jener kompromißlosen Künstler, der sich nicht von kommerziellen, wissenschaftlichen oder anderen Dingen wie Plausibilität etc einschränken sondern nur seiner skurilen, teilweise surrealen Phantasie freien Lauf lässt. Als Rat für den Leser heißt das: Sicherheitsgurte (wie wissenschaftlicher Sachverstand oder ‚Ratio‘) abschnallen und den freien Fall genießen.
Und Moebius unterlegt die Erzählung Jodorowskys mit einer Graphik, die zu jener Zeit Maßstäbe in Bezug auf Comics für erwachsene Leser setzte. Mal unglaublich detailreich, dann wieder abstrakt oder wie eine Karrikatur, mit expressiver Farbgestaltung – kurz und gut: The Incal gehört in jede gut sortierte Comic Sammlung.
John Constantine HELLBLAZER
Autoren: Jamie Delano, Garth Ennis (u.a.)
Graphik: John Ridgway, Mark Buckingham, Sean Phillips (u.a.)
Originalveröffentlichung in 300 Einzelausgaben von 1988 – 2013 von VERTIGO, einem Inprint des DC Comics Verlages.
Gesammelte US Ausgabe in bisher 12 Bänden (Stand: April 2016); deutsche Ausgabe (in Auszügen) bei Panini
Genre: Horror & Dark Fantasy
Die Serie entstand gegen Ende der 1980er. Sie wurde geschaffen für den US Verlag DC Comics, der zu dieser Zeit verstärkt englische Comic Künstler für seine US Serien engagierte.
Der bedeutendste hiervon, Alan Moore, kreierte für seine DC Serie The Swamp Thing die Nebenfigur des John Constantine. Der kam gut an bei den Lesern – und HELLBLAZER entstand sozusagen als Spinoff von Swamp Thing.
John Constantine ist sowas wie ein Underground Magier und Exorzist. Lebt in Liverpool in einem heruntergekommenen Apartment, trägt ständig einen beigen Trenchcoat, ist unrasiert und Kettenraucher und säuft unglaublich viel. Er ähnelt stark dem britischen Sänger Sting in seinen Filmauftritten Anfang der 1980er Jahre.
Großbritannen Anfang der 1980er, das war – wenn wir der Story und der Artwork von HELLBLAZER folgen – im Grunde ein ziemlich schäbiges Land. Die Premierministerin hieß Margaret Thatcher. Einigen (wenigen) ging es sehr gut, aber unglaublich vielen ziemlich schlecht. Veraltete wirtschaftliche und industrielle Strukturen. Hier gab es einerseits „Gentlemen’s Clubs“ in Londons Pall Mall mit dem Standesdünkel des Britischen Imperiums. Und andererseits gab es militante Gewerkschaften, die jederzeit bereit waren, die Insel durch Generalstreiks lahmzulegen.
Und mittendrin John Constantine, der sein Geld mit gelegentlichen Exorzisten Jobs, aber gerne auch mit (vollständig unlauteren) magischen Spielereien verdient. Der aber, wenn es darum geht, dämonisches Unheil abzuwehren seinen Mann steht. Mit einer eigenartigen Kombination aus magischen Kentnissen und Begabungen, dem entsprechenden Instrumentarium und seiner angeborenen Raffinesse.
Das was mich heute faszieniert, wenn ich die frühen Ausgaben dieser Magier / Dark Fantasy – Serie von 1988 ff. lese, ist diese britische, links-subversive Anti-Thatcher und Anti-Establishment Stimmung, begleitet von brillianten Dark Fantasy – Stories und Artwork der besten englischen Comic Künstler.
Wenn man sich anschaut, wer dieser langlebigen Serie über Jahre die Stempel audrückte, so ist das ein Who is Who der englichen Comic Szenen die bei DC und Marvel groß rauskamen: Alan Moore (der Erfinder der Figur), Garth Ennis, Warren Ellis, Paul Jenkins und andere als Autoren sowie z.B. Sean Phillips, Dave McKean und so weiter als Zeichner. Auch heutige Bestseller Autoren wie Neil Gaiman und Grant Morrison steuerten Stories bei.
Eine der besten Hellblazer Stories is die sechsbändige Geschichte „Dangerous Habits“ (Gefährliche Angewohnheiten) von Garth Ennis, in der ein vom Tod durch den Lungenkrebs gezeichneter Constantine seine Seele gleichzeitig an die drei Fürsten der Hölle verkauft. Die müssen ihn dann nolens volens vom Krebstod eretten, um die vorauszusehenden kriegerischen Auseinandersetzungen in der Hölle um den Besitz der Seele Constantines zu vermeiden. Selbstverständlich war dies genauso von Constantine im voraus geplant. Raffinesse eben.
Einziger Wehrmutstropfen in der gesammelten (seit 2014 erscheinenden) US Ausgabe ist die billige und schlechte Papier- und Druckqualität. Gut, ungewollt unterstreicht das zwar ein bisschen den Underground Charakter der Serie, aber eine bessere Qualität hätte man sich schon gewünscht.
Locke & Key
Autor: Joe Hill
Zeichnungen: Gabriel Rodriguez
Farben: Jay Fotos
Original veröffentlicht in sechs Miniserien mit insgesamt 42 Folgen zwischen 2008 und 2013 bei IDW Publishing Inc. Deutsche Ausgabe bei Panini.
984 Seiten
Genre: Horror / Dark Fantasy
Im ersten Teil „My Picks in Comics 2015“ schrieb ich, Grant Morrison’s Doom Patrol Run (in der US Omnibus-Ausgabe) sei der beste Comic, den ich 2015 gelesen hätte. Das ist auch OK, soweit es sich auf Comic Serien bezieht. Der beste Comic – Roman jedoch war Joe Hill’s und Gabriel Rodriguez‚ Horror Epos Locke & Key.
Vorab: Joe Hill ist das Pseudonym von Joe Hillstrom King (geb. 1972), dem Sohn des US Horror Autors Stephen King.
Nach dem brutalen Mord an ihrem Vater zieht die Familie Locke von Kalifornien um in das Stammhaus der Familie in der (fiktiven) neuenglischen Kleinstadt Lovecraft / Massachusetts. Die Famile besteht aus drei Kinder unterschiedlichen Alters (Kleinkind Bode, die halbstarke Kinsey und der reifere Teenager Tyler) sowie Nina, die Mutter.
Das Haus ist mehr ein Anwesen, seine Geschichte geht zurück bis in die Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Und in ihm verborgen finden sich geheimnisvolle uralte Schlüssel, denen magische Kräfte innewohnen. Nach und nach werden diese von den Jugendlichen entdeckt. Doch so ein Typ namens Dodge, einer der Mörder ihres Vaters, steht mit unheimlichen Kräften im Bund und rückt der Familie unbemerkt auf die Pelle.
Locke & Key steht in der besten Tradition dessen was ich hier mal als „Neuengland Horror“ bezeichnen möchte. Das geht (natürlich) auf H.P. Lovecraft und seine Zeitgenossen und in neuerer Zeit auf Stephen King zurück. Feste Bestandteile dieses – sagen wir – Subgenres sind ein Haus mit Anwesen oder Grundstück sowie die Kleinstadt als fest umrissenen Mikrokosmos. Uralte Flüche oder magische Kräfte, die auch heute noch wirken. Und die beim Leser aufkommende Vorahnung eines bösen Endes (in der Regel befeuert durch die brutale oder sonstwie grausame Eliminierung liebgewonnener Nebencharaktere).
Aber Locke & Key ist noch mehr: Ein packendes Familiendrama, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in den Sog zieht. Man fiebert mit den einzelnen Familienmitgliedern, teilt ihr Grauen, freut sich für die kurzen glücklichen Momente und hat dennoch ständig Angst vor dem nächsten Horror Event.
Und. Obwohl der Roman über einen Zeitraum von ca. fünf Jahren entstand und (wie im US Comic Markt üblich) sozusagen scheibchenweise veröffentlicht wurde, ist Locke & Key unglaublich dicht und homogen erzählt und zeichnerich umgesetzt.
Strange Attractors
Autor: Charles Soule
Graphik: Greg Scott
2012-13 als Miniserie und als „Original Graphic Novel Hardcover“ erschienen im Archaia Verlag
128 Seiten
(Eine deutsche Ausgabe liegt meines Wissens bisher nicht vor)
Genre: Science Fiction
Ein thematisch ungewöhnlicher, in jedem Fall aber spannender und intelligenter Wissenschaftsthriller. Abteilung: Mathematik – Komplexitätstheorie – Chaos. Und das Comic ist auch eine Liebeserklärung an New York City.
The Big Apple. The City that never sleeps. Eine Stadt, die noch vor – sagen wir – zwanzig Jahren als absolut unregierbar galt. New York City ist im Grunde die Haptperson dieser Geschichte.
Wie kann es sein, das sie alle paar Jahre buchstäblich im Chaos versinkt? Ein Blizzard. Ein kompletter Stromausfall. Soziale und Rassenunruhen. 9/11. Hurrican Sandy.
Um dann innerhalb kürzester Zeit wieder aufzuerstehen wie Phönix aus der Asche?
Dr. Spencer Brownfield (ein als Spinner von der Columba Universität verjagter Ex-Mathematikprofessor) behauptet, er habe vor ca. 35 Jahren die Antwort gefunden. Er begreift die Stadt als ein irrsinnig komplexes System von Gleichungen mit Millionen kausalen Wirkungen, die wie in einem Netzwerk zusammenhängen. Wasserversorgung. Energie. Verkehr. Gesundheitswesen. Kommunikation. Regierung. Öffentliche Sicherheit.
Und immer, wenn diesem Gleichungssystem in der Vergangenheit ein Ungleichgewicht drohte, griff er ein. Mit unzähligen skurilen bis absurden Aktionen, die alle seriösen Wissenschaftler endgültig überzeugten, der verrückte Alte habe nun endgültig den Verstand verloren.
Aber ein neues Unglück droht. Schlimmer und schneller als je zuvor. Da kommt ihm der junge Doktorand Heller Wilson gerade recht. Werden die beiden die Stadt vor einem erneuten und diesmal nicht absehbaren Fall ins Chaos bewaren können?
Charles Soule ist ein ‚Rising Star‘ in der US Comic Szene und entwickelte sich in den letzten drei Jahren zu einem der Hauptautoren bei Marvel. Er legte mit Strange Attractors ein unabhängiges ‚creator owned‘ Werk vor, daß 2013 sicherlich zu den bedeutendsten wirklichen Comic Romanen (im Gegensatz zu den üblichen seriellen Comic Geschichten) zählte.
Hierzu trug auch die graphische Leistung Greg Scotts bei, der die Stadt mit einer wunderbaren Mischung aus Realismus und lockerer Stiftführung portraitiert.
Beide sind – das versteht sich von selbst – langjährige New Yorker.
Jedenfalls: Wenn ich das nächste mal wieder in NYC bin, werde ich an diese Geschichte denken.
Noch ein Hinweis zum Titel „Strange Attractors“: Dies ist ein Begriff aus der Chaos-Theorie. Er bezeichnet einen gebrochenen (in der Theorie auch als „fraktal“ bezeichneten) Zustand, auf den sich ein System (z.B. von mathematischen Gleichungen oder geometrischen Linien) zubewegt.
Sam and Twitch
Autoren: Brian Michael Bendis und Todd McFarlane
Zeichnungen: Angel Medina und Alex Maleev
Farben: Ashley Wood
Originalveröffentlichung in 26 Folgen bei Image Comics zwischen 1999 und 2003
Eine deutsche Ausgabe gibt es z.Zt. nicht. US Ausgabe als zweibändige „Complete Collection“ bei Image Comics
640 Seiten
Gernre: Krimi
Sam and Twitch ist eine gr0ßartige düstere Krimiserie über zwei Cops in New York City. Detective Sam Burke und Detective Maximilian Steven Percival „Twitch“ Williams III sind ein ungleiches Paar: Der eine fett, junk food fressend und ungehobelt, der andere extrem dürr und eher von der analysierenden Sorte. Zusammen verfolgen sie Serienmörder, lösen andere knifflige Fälle und haben ständig Probleme mit den Kollegen des Reviers sowie ihrem weiteren sozialen Umfeld.
Die Serie ist ein Spin-Off der Image Serie Spawn von Todd McFarlane (der auch die siebenteilige Abschlußgeschichte von Sam and Twitch textete).
So weit so gut. Das eigentlich faszinierende ist die düstere Großstadt-Atmosphäre, die in diesem Comic herüberkommt. Und das ist eine Folge sowohl der Crime-Noir-Stories, der überzeugenden Charaktere sowie der brillianten Dialoge von Brian Michael Bendis (dem Hauptautor) als auch insbesondere der fantastischen graphischen Umsetzung durch Angel Medina, Alex Maleev (Zeichnungen) und Ashley Wood (Kolorierung).
Bendis gehört neben Ed Brubaker und Greg Rucka zu den besten Krimi Autoren der amerikanischen Comic Szene. Letztere haben sich von Sam and Twitch bei der Konzeption der wesentlich bekannteren DC Serie Gotham Central (siehe Teil Eins meiner Picks in Comics 2015) vermutlich inspirieren lassen.
Aber noch einmal: Bei Sam and Twitch passt einfach alles wunderbar zusammen. Stories, Charaktere, Zeichnungen, Farben bis hin zu der innovativen graphischen Handhabung der Dialogtexte – dies alles zusammen ist für mich Comic Kunst.
Whiteout & Whiteout: Melt
Autor: Greg Rucka
Graphik: Steven Lieber
Originalveröffentlichungen als Miniserien in 1998 (Whiteout) und 2000 (Whiteout Melt) bei Oni Press
128 Seiten (Whiteout) und 120 Seiten (Whiteout Melt)
Deutsche Ausgabe bei Cross Cult
Geständnisse gehören an den Anfang: Ich bin ein großer Fan des amerikanischen Thriller- und Comic-Autors Greg Rucka (geb. 1969). Was ich so sehr an ihm schätze ist
- Er schreibt die besten und spannendsten Thriller der US Comicszene.
- Kein(e) Andere(r) beschreibt überzeugendere weibliche Hautpersonen als toughe Heldinnen (sozusagen eine Spezialität von Rucka)
- Rucka ist geradezu besessen von seiner Recherche-Arbeit, was sich überaus positiv auf die Authentizität von Örtlichkeiten sowie die Qualität der Stories auswirkt
Auch in „Whitout“ und der Fortsetzung „Whiteout: Melt“ (für die Rucka im Jahr 2000 den Eisner Award erhielt) gelingt es ihm, den Leser von der ersten bis zut letzten Seite zu fesseln. Deputy U.S. Marshal Carrie Stetko ist höchste polizeiliche Authorität auf der US-amerikanischen McMurdo Station. Die ist aber eben nicht irgendwo in Nebraska oder so, sondern in der Antarktis. Der Südpol jedenfalls ist deutlich näher als der nächste Walmart.
Im ersten Fall („Whiteout“) muß sie in einem Mordfall – dem ersten Mord in der Antarktis – ermitteln. Im zweiten („Whiteout: Melt“) geht es um illegal auf der russischen Antarktis Station deponierte nuklerare Sprengköpfe, die von einer unbekannten Gruppe gestohlen wurden.
Das geniale an diesen Geschichten ist, daß die Antarktis mit allen ihren extremen und menschenfeindlichen Lebensbedungungen im Grunde die Hauptrolle spielt. Kälte, Schneestürme, das Whiteout Phänomen (siehe unten) etc spielen eine wichtige Rolle – und führen zu einer außerordentlich dichten Atmoshäre.
Diese dichte Atmosphäre wird auch durch die Schwarzweiß-Zeichnungen von Steve Lieber entscheidend unterstützt.
Insofern gibt es eine gewisse Parallele zu dem am Anfang dieses Beitrags erwähnten Comic „High Crimes“, in dem es in ähnlicher Weise gelungen ist eine Symbiose zwischen Extrem-Abenteuer und Thriller zu kreieren. (Wobei natürlich zu bemerken ist, daß Ruckas „Whiteout“ ca. fünfzehn Jahre vor „High Crimes“ entstand.)
Zum Titel: Als „Whiteout“ wird ein Phänomen bezeichnet, das wohl ähnlich wie die „Schneeblindheit“ in der Höhe funktioniert. Aufgrund der extremen Helligkeit können Kontraste in der Antarktis nicht mehr wahrgenommen werden. Horizont, Himmel und Eisfläche verschwimmen vot den Augen des Betrachter zu einem konturenlosen Weiß. Dies führt natürlich dazu, daß man sich in der Antarktis bös verirren kann.
Dies abschließend als Sicherheitshinweis für alle, die den nächsten Sommerurlaub hier verbringen wollen.
(Hamburg, April 2016)