Quentin Tarantino’s „The Hateful Eight“ – Ein Quick ’n Dirty Kino-Review (German)

Habe gestern „The Hateful Eight“ in der 70mm Fassung in Hamburg gesehen. Auf der Rückfahrt mit der S-Bahn nach Hause kritzelte ich meine Eindrücke auf einen Schreibblock. Hier ist die (leicht überarbeitete) Fassung meiner Kritzelei. Vorab kurz zum Inhalt:

Wyoming im Frühjahr, einige Jahre nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Acht Leute (sieben Weiße, darunter eine Frau und ein Schwarzer) werden durch einen plötzlichen Blizzard, am späten Nachmittag gezwungen auf ihrem Weg zur nächsten Stadt Red Rock in „Minnie’s Haberdashery“ (das ist so eine Mischung aus Raststätte, Coffee Shop und Kiosk) einzukehren. Um das Ende des Schneesturms abzuwarten. In the middle of nowhere. Das ganze sieht zunächst wie ein zufälliges Zusammentreffen infolge der Umstände aus. Während der Warterei und den Gesprächen in der Hütte stellt sich jedoch heraus, daß sooo zufällig die ganze Sache vielleicht gar nicht ist. Daß mehr dahinter steckt. Und am Ende, so viel darf verraten werden, gibt es das für Tarantino typische Gemetzel.

Jetzt zum Gekritzelten:

  • Ja, der Film hat mir sehr gut gefallen. Ich bin aber auch eh ein Tarantino Fan.
  • Ja, cinematographisch und szenisch erkennt man Tarantinos Filmsprache von der erste Einstellung in jeder Szene wieder. Angefangen vom Vorspann (eine Homage an die Italo – Westernklassiker von Leone und Corbucci), über die Einteilung in Kapiteln, gelegentlichen Erläuterungen aus dem Off (in der Originalfassung von Tarantino himself) bis zum blutigen Gemetzel – all das war Tarantino-like und gefiel mir auch.
  • Ja, die Schauspieler (Samuel L. Jackson, Kurt Russel, Jennifer Jason Leigh etc.) überzeugen mühelos. Die meisten haben häufiger schon Rollen bei Tarantino Filmen gespielt.
  • Ja, auch bei 187 Minuten Spielfilmlänge habe ich mich nicht eine Sekunde gelangweilt. Die Story ist in der ersten Hälfte zwar außerordentlich langsam erzählt – man hätte die ganze Geschichte auch mühelos auf sagen wir 90 bis 120 Minuten beschränken können. Aber ich weiß es zu schätzen, wenn sich Filme die Zeit nehmen für Dialoge, Mimik, interessante Kameraeinstellungen und so weiter. Darüber hinaus gibt es bei „The Hateful Eight“ immer etwas visuell Interessantes zu entdecken, auch wenn die Story einen Gang zurückschaltet.

 

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  • Nein, es ist nicht Tarantinos bester Film. „Django Unchained“ (2012) – auch ein Western – z.B. gefiel mir besser.
  • Nein, das Drehbuch, also die Geschichte, ist doch – bei aller Liebe – im Grunde recht einfach. Spannung wird vor allem dadurch erzeugt, daß die Story zunächst größtenteils aus der Sicht eines Protagonisten (des schwarzen Ex-Bürgerkriegs Majors Marquis Warren, gespielt von Samuel J. Jackson) gezeigt wird. Nach mehr als zwei Stunden Laufzeit erfährt der Zuschauer – ebenso wie Major Warren – im Zuge eines Flashbacks von einer Vorgeschichte, die sich am Morgen in Minnie’s Haberdashery ereignet hat, und die letztendlich erklärt, warum es am Ende das (bei Tarantino) unvermeidliche Gemetzel gibt.
  • Nein, interessante Charakterstudien oder psychologische Hintergründe sucht man hier vergeblich. Die sind aber eh nicht Tarantinos Ding. Man hätte auch programmierte Kleiderpuppen-Roboter – gäbe es denn diese, vorzugsweise mit Mimik – statt menschliche Schauspieler einsetzen können.
  • Nein, es ist keine Auseinandersetzung mit dem Thema „Rassismus in den USA“ (wie im Vorfeld in der Presse spekuliert wurde). Jede Menge rassistischer Sprüche der Weißen und einmal Schwanzlutschen beim Schwarzen (als Strafe dafür) reichen nicht. Sorry, Mr Tarantino – for this issue „The Hateful Eight“ is not good enough.
  • Nein, sollten grandiose Werke wie z.B. „The Good, the Bad and the Ugly“ von Leone oder „Il Grande Silenzio“ von Corbucci die Meßlatte sein: Diese erreicht „The Hateful Eight“ nie. Sorry, Mr. Tarantino.
  • Und nein, der Score von Ennio Morricone ist zwar nicht schlecht, aber keineswegs herausragend. Hätt‘ ich’s nicht gewußt, hätt‘ ich’s nicht gemerkt.

 

Also: Ja – guter Film (vor allem für Tarantino Fans), aber nicht der große Wurf, den sich der Regisseur insbesondere angesichts der immensen Marketing Kampagne vielleicht erhofft hatte.

Ein Wort noch zum 70mm Format: Hierbei handelt es sich um ein extra breites Film- und Leinwandformat, das in den 1950er und 60er Jahren für Filme wie „Ben Hur“ und „Die Meuterei auf der Bounty“ verwendet wurde und seither nicht mehr. Tarantino holte die Kameras mit den entsprechenden Linsen für diesen Film aus der Mottenkiste der Filmgeschichte hervor. In Deutschland kann man den Film in dieser um etwa 20 Minuten längeren Fassung in vier Kinos sehen (neben Hamburg in Berlin, Essen und Karlsruhe). Das hat man wohl auch in jener Zeit in den USA so gemacht: Die 70mm Versionen wurden nur in ausgesuchten Kinos der Großstädte gezeigt.

Nun scheint mir ein solches Format vor allem dann angebracht, wenn es um Außenaufnahmen vor grandioser Kulisse geht. Also die Weite der Prärie, die Gebirgsketten der Rocky Mountains und so weiter. Und zu Anfang des Films sieht man durchaus die Postkutsche auf der eindrucksvollen Fahrt durch die verschneite Landschaft Colorados (wo die Außenaufnahmen gedreht wurden). Aber: Die Geschichte von „The Hateful Eight“ spielt doch zu 75 – 80% innerhalb eines Raumes also eher Kammerspiel als Roadmovie. Da reicht auch die „normale“ Version auf Standartformat.

 

(Hamburg, Februar 2016)

 

 

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